Frauen sind in der Gesundheitsbranche stark vertreten - nur nicht an der Spitze! Obwohl die Pharmabranche als Schlüsselindustrie für Deutschland und Europa sogar den Exportanteil der Automobilbranche übertrifft, fehlt ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Männern und Frauen in Führungsfunktionen. Welche Gründe es dafür gibt und vor allem was Healthcare Unternehmen konkret tun können, beleuchten wir in diesem Artikel.  

Aktuelle Fortschritte und Herausforderungen

Pharmaunternehmen profitieren bereits von einer höheren Quote von Frauen in Führungspositionen, wogegen die Medizintechnik deutliches Potential nach oben haben. Um die Rolle von Frauen im Health Care-Bereich, die Hürden und Herausforderungen für sich und die Unternehmen zu verstehen, bedarf es einer differenzierteren Betrachtung dieses heterogenen Marktes. Denn trotz der verschwindenden Grenzen im Health Care-Bereich zwischen der Pharmaindustrie und der Medizin-Technik durch innovative Therapien wie z.B. die CAR-T-Cell-Therapie oder die Radioligant-Therapie in der Onkologie, spalten sich diese wieder in zwei Lager bei der Beschäftigungsquote von Frauen.  

Lager 1: Erfreulicherweise arbeiten 39,2% Frauen in der deutschen Pharmaindustrie laut dem Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) –eine beachtliche Quote im Vergleich zu anderen Hochtechnologiebranchen. Selbst in Führungspositionen sind noch 38,5% Frauen aktiv, was eine überdurchschnittliche Gleichstellung im Vergleich zum Durchschnitt von 24,1% über alle Branchen hinweg belegt. Laut der Studie des IWD (Quelle) vom 08.03.24 werden insbesondere der positive Einfluss weiblicher Führungskräfte auf Innovation, Teamdynamik und internationale Wettbewerbsfähigkeit geschätzt.

Lager 2: Ganz anders hingegen sieht die Medizintechnik aus. Hier werden nur Referenzzahlen aus dem Maschinenbau für Frauen in technischen Berufen herangezogen, da es keine eigenen gibt. Laut der Studie von Statista aus dem Jahr 2024 zum Frauenanteil in Führungspositionen in Deutschland sind in Führungspositionen gerade mal 9,9% weibliche Vertreterinnen zu finden.

Seit Inkrafttreten des Gesetzes zur Pflichtquote in Höhe von 30% in Vorstandsetagen, Aufsichtsräten und im öffentlichen Sektor im Jahr 2016 hat sich einiges getan. Im Jahr 2023 lag die Quote für Aufsichtsratsmitglieder bereits bei 31,6%, in den Vorstandsetagen allerdings hinkt die Realität den Vorgaben weiterhin deutlich hinterher.

Vor allem in mittelständischen Unternehmen fiel die Quote der Frauen zuletzt sogar wieder auf nur noch 15,8%, was leider auf ein hohes Entwicklungspotenzial bis zur gelebten Gleichberechtigung schließen lässt.

Welche sind die größten Barrieren und wie können Healthcare Unternehmen diese beseitigen?

1) Mangel an Vorbildern und Mentoren

Wenngleich das Interesse junger Frauen für technische Studiengänge – insbesondere in der Medizintechnik – wächst und die Initiativen zur Begeisterung junger Mädchen für MINT-Fächer ein wachsendes Bewusstsein für die Berufe zeigen, die technisches Wissen und medizinische Anwendungen verbinden, fehlt es leider nach wie vor an Netzwerken, Mentoring und starken Vorbildern.

Laut dem IW-Kurzbericht Nr.18 (Quelle) aus Köln mangelt es trotz Attraktivität der pharmazeutischen Kernberufe für Frauen nach wie vor an spezifischen Anreizen und Programmen zur Karriereförderung von Frauen. Außerdem bedarf es noch vieler Beispiele wie des Internationalen Frauentags 2024 mit dem Motto “Inspire Inclusion“ sowie des eigenen “Female Leaders for Healthcare“ Netzwerks, das PwC in der Schweiz etablierte, um hier sichtbare Zeichen zu setzen.  

Lösungsansatz: Gute Kooperationen mit Schulen und Ausbildungsstätten könnten gerade mittelständischen Health Care Unternehmen neue Wege öffnen, ihr eigenes Unternehmen schon früh als zukunftsweisenden, attraktiven Arbeitgeber mit besonderen Chancen für weiblichen Führungsnachwuchs zu präsentieren.  

2) Geschlechterstereotype und Voreingenommenheit

Traditionelle Stereotype über Geschlechterrollen bestimmen die Wahrnehmung von Frauen in der Arbeitswelt. Gerade während der Pandemie zeigte sich, dass Männern das Rollenbild des durchsetzungsstarken und entscheidungskräftigen Versorgers anhaftete, während Frauen aufgrund der ihren zugeordneten Fürsorge und Empathie die Rolle der häuslichen Versorgerinnen zu fiel. Mit durchschnittlich 26,2 % Anteil am Bezug von Elterngeld und gerade einmal 3,7 Monaten Elternzeit tragen Männer bei uns deutlich weniger Verantwortung in der Familie und fördern das Missverhältnis in den Führungsetagen der Unternehmen.  

Lösungsansatz: Auch hier bedarf es Vorbilder und praktischer Beispiele zur Anregung. Getreu dem Motto „Tue Gutes und rede darüber!“ können Unternehmen eine bessere Vereinbarkeit von Karriere und Familie für alle Geschlechter schaffen und darüber öffentlichkeitswirksam berichten. Darüber hinaus können sie strukturelle Veränderungen wie verpflichtenden Vätermonate in der Elternzeit oder gezielte Programme zur Förderung gleichberechtigter Rollenbilder in der Gesellschaft anregen und als modernes Zielbild vertreten.  

3) Netzwerkzugang

Gerade in Führungsetagen mangelt es Frauen nach wie vor oft an Zugang zu entscheidenden Informationen und Möglichkeiten, da sie meist unterrepräsentiert sind in diesen Netzwerken Evolutionsbedingt wurde Frauen ein soziokulturelles Rollenbild zuteil, dem sie heute nur schwer entkommen können- die ihnen eigene Tendenz zu Kooperation und gegenseitiger Unterstützung wird ihnen außerhalb der Familie zum Verhängnis, da im wettbewerbsorientierten Umfeld eher strategische Karriereförderung und als emotionale Unterstützung und Informationsaustausch in Netzwerken gefragt sind.  

Lösungsansatz: Genau hier könnten moderne Health Care Unternehmen und ihre Lenker ansetzen, in dem sie Frauen proaktiv in strategische Gremien und karrierefördernde Netzwerke einladen, um so ihren eigenen, akademisch bereits gut qualifizierten Nachwuchs zu fördern.

4) Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben

Die Herausforderungen, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, sind nach wie vor vorwiegend ein Thema von Frauen, zur Doppelrolle in Beruf und Kindererziehung addiert sich häufig noch eine deutlich höhere Verantwortung für den Haushalt und die Pflege sozialer Kontakte in der Familie, so dass Frauen oft davon Abstand nehmen, Führungsaufgaben anzustreben oder diese nach der Geburt der Kinder zu behalten. Die gesellschaftlichen Erwartungen von außen an ihre Rollen als Mütter sind oft derart hoch, dass sie dem Druck auf Dauer nicht standhalten und sich in Teilzeitmodelle begeben, die ihnen weitere Karrieremöglichkeiten nehmen.

Lösungsansatz: Eine gute Kinderbetreuung sowie flexible Arbeitszeit- und Wiedereinstiegsmodelle werden zentrale Themen für Health Care Unternehmen, da ihnen internationale Wettbewerbsfähigkeit nur durch einen deutlichen Frauenanteil in Führungsfunktionen gelingen wird- so könnten z.B. kluge Kooperationen von KMUs zur Kinderbetreuung oder auch Split-Modelle wie in nordischen Ländern schnelle und verlässliche Entwicklungsräume schaffen und gleichzeitig das Employer Branding der Firmen nachhaltig und dauerhaft stärken.  

5) Fehlendes Bewusstsein für unbewusste Vorurteile

Unbewusste und nicht kommunizierte Vorurteile in der Bewertung, wenn es um Bewerberinnen und Mitarbeiterinnen geht, führen oft zur Benachteiligung von Frauen in ihrer Karriere. Diese Vorurteile beginnen bereits in der Personalgewinnung und erreichen ihren Höhepunkt in der Familiengründungsphase. Genau hier kippen die Chancen für Frauen auf Weiterentwicklung in höhere Managementpositionen rapide.

Lösungsansatz: Moderne Ansätze, die vor allem auf den Einsatz von KI in der Vorauswahl setzen, schaffen Paritäten und Fairness ohne menschliche Voreingenommenheit. Fortschrittliche Health Care Unternehmen können ihr Profil schärfen durch offen geführte Diskussionen über eine moderne und gleichberechtigte Arbeitskultur sowie Transparenz zu Entscheidungen hinsichtlich Einstellungsprozessen und Beförderungen.


6) Gender Pay Gap

Noch immer verdienen Frauen aufgrund des gender pay gaps 18% weniger für die gleiche Tätigkeit wie ihre männlichen Kollegen. Der Gender-Pay-Gap in der Pharma-Industrie sinkt deutlich. In den vergangenen 15 Jahren verminderte sich die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern von gut 22 auf 12 Prozent (Quelle).

Lösungsansatz: Ein überfälliger Schritt für alle, die noch zögern! Dies sollte die einfachste Aufgabe für Unternehmen sein, hier für Transparenz und Fairness zu sorgen. Und der Hebel hat eine weit größere Wirkung als gedacht, da er sich unmittelbar auf die Entscheidungen in Familien auswirkt, wenn es um Elternzeit, Karriere-Pausen oder auch den zusätzlichen Betreuungsaufwand der Kinder geht.

Wie es funktionieren kann – positive Beispiele aus der BioPharma

Ein spannender Podcast von PharmaSource ging im Interview mit interessanten Größen der BioPharma wie Elizabeth Hickmann (CEO Austin Pharmaceuticals) der Frage auf den Grund, weshalb so wenig Frauen in Top-Positionen zu finden sind und wie sie dennoch ihren Weg nach oben geschafft haben.

Folgende drei Aspekte waren relevant:

  1. sie besaßen die nötige innere Bereitschaft, sich als Frau proaktiv mit Selbstvertrauen in einem männlich dominierten Umfeld für verantwortungsvolle Rollen zu bewerben
  2. sie verfügten über ausreichendes Selbstbewusstsein, diese Rollen bewusst mit mehr Empathie und Beziehungsorientierung auszufüllen und ihren eigenen Managementstil zu leben  
  3. sie durften profitieren von Mentoring und guten Führungs-Vorbildern, die als starke, fordernde und emotional kompetente Leader vorangingen und sie mit Empowerment und Vertrauen ins nächste Level führten

Fazit

Wenn in der Healthcare Industrie ein zukunftsfähiges und langfristig besseres Business mit Gleichberechtigung und Diversität auf allen Hierarchieebenen und klaren Chancen angestrebt wird, so bedarf es einer echten Transformation und der Bereitschaft, Hürden konsequent abzubauen.

Gerade kleineren und mittelständischen Unternehmen, die hier agil vorangehen, erwartet neben der internationalen Wettbewerbsfähigkeit auch ein deutlich besseres Klima durch einen guten Mix an Führungskultur, in welcher Vertrauen, Respekt und auch Emotionalität ausgewogen vertreten sein werden.    

Nina Kummerlöwe

Nina Kummerlöwe

Nina Kummerlöwe ist Geschäftsführerin der NiK Personalberatung und verfügt über mehr als 23 Jahre Erfahrung im Recruiting für die Healthcare-Branche. Mit tiefem Marktverständnis und einem starken Netzwerk unterstützt sie Unternehmen dabei, hochqualifizierte Fach- und Führungskräfte gezielt zu finden. Ihre Leidenschaft für die Gesundheitsbranche, geprägt durch persönliche Erlebnisse, treibt sie an, innovative Lösungen für den Fachkräftemangel zu entwickeln.